SPIEGEL ONLINE - 16. November 2001, 12:55
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Safer Surfing
www.Ich_Bleibe_Anonym.de
Von Niels Gründel
Wer surft, hinterlässt unfreiwillig Spuren. Immer mehr persönliche Daten
werden erfasst, der Schutz davor wird immer schwieriger. Doch noch ist es
möglich, sich weitgehend anonym durch das Netz zu bewegen.
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DPA
Trend: Das Sammeln persönlicher
Daten |
Seit dem 11. September tobt
die Debatte um die Frage, ob man Datenschutzrechte nicht zu Gunsten der
Sicherheit einschränken müsste. Polizeibehörden und Geheimdienste wünschen sich
natürlich einen Freibrief zum Schnüffeln. Doch im Grunde ist die Diskussion fast
hinfällig: Nicht nur viele Staaten, auch zahlreiche Unternehmen beanspruchen
einfach dieses Recht zu schnüffeln und fragen nicht nach Gesetzen.
Mit
zunehmender Verbreitung des Internet und der Telekommunikation hat sich auch das
Netz um die Privatsphäre enger gezogen. Längst ist der gläserne Surfer eine
Realität, und zahlreiche Überwachungssysteme bedrohen unbescholtene Bürger und
Unternehmen. Das Beispiel Echelon zeigt, dass selbst befreundete Staaten nicht
davor zurückschrecken, deutsche Unternehmen systematisch auszuforschen: Selbst
Geheimdienste treiben heute Industriespionage, nicht zuletzt mit Hilfe des
Webs.
Betroffen von legalen wie illegalen Schnüffelaktionen sind in aller
Regel die Unbescholtenen. Wer wirklich etwas zu verbergen hat, greift auf die
Verschlüsselung von E-Mails und für Telefonate auf abhörsichere Leitungen
zurück. Für die Übermittlung von geheimen Daten ist ganz besonders die Methode
der Steganografie geeignet. Dabei werden Nachrichten in Bildern versteckt und
verschlüsselt. Dagegen nämlich gibt es keine erfolgreiche Überwachungs- und
Entschlüsselungstechnik.
Surfen, aber anonym
Wo aber liegen
nun die Risiken für den privaten Surfer, und was kann er unternehmen?
Wer
über eine Standleitung für seinen Internetzugang verfügt, besitzt eine
eindeutige IP-Adresse, die sich dauerhaft leicht zurückverfolgen lässt. Wer sich
aber über einen der großen Provider wie T-Online, AOL oder gar per Call-by-Call
ins Internet einwählt, erhält bei jedem Einwählvorgang für die Dauer der Sitzung
eine andere IP-Adresse. Eine Zuordnung zum Surfer ist daher nur während der
bestehenden Internetverbindung möglich, ansonsten nur für den Provider. Doch
egal welchen Weg man im Internet einschlägt, die benutzten Pfade werden von den
Seitenbetreibern unabhängig vom eingesetzten Webserver gnadenlos mitgeloggt.
Schließlich möchten sie alles über ihre Nutzer wissen: Von welchen
Seiten kommen die Nutzer, wie lange bleiben sie, mit welchen Browserversionen
betrachten sie die eigenen Seiten und welche Seiten rufen sie auf? Wer genau
wissen möchte, welche Informationen er über sich preisgibt, sollte einmal bei
der Verbraucherorganisation privacy.net vorbeischauen. Dort werden auf Mausklick alle
persönlichen Daten präsentiert, die sich aus den übergebenen
Browserinformationen online zusammenstellen lassen.
Wer nach solcher
Erkenntnis doch lieber unerkannt bleiben möchte, kann sich mit einem so
genannten
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rtl
Web-Alptraum im Film: Per Elektronik
ausspioniert, entrechtet, kriminalisiert ("Das Netz" (1995) mit Sandra
Bullock) |
Anonymizer auf seinem Weg
durch das Web tarnen. Diese Hilfsseiten im Netz (wie zum Beispiel http://www.anonymizer.com/,
http://www.allgemeiner-datenschutz.de/) wählt man direkt nach
der Einwahl bei seinem Provider an und gibt hier seine eigentliche Zieladresse
an.
Anonymizer sorgen dafür, dass die persönlichen Daten vollständig
gefiltert werden. Die Seitenbetreiber angewählter Internetseiten können so zwar
noch die einzelnen Seitenaufrufe auf ihren Servern nachvollziehen, nicht aber
die mit dem Browser übermittelten Daten. Stattdessen erhalten sie von den
Anonymizern nur falsche oder sogar unsinnige Informationen. Für den Dauerbetrieb
bietet Anonymizer.com eine kleine Ergänzung für die Toolbar des Internet
Explorers.
Noch komfortabler ist ein Tool wie der Stealther, der auf dem eigenen PC
installiert wird und die Funktionalität der Anonymizer-Webseiten übernimmt, also
die Tarnung im Netz. Die Vollversion von Stealther kostet 79 Mark. Aber die
Sicherheit der Zivilgesellschaft hat eben ihren Preis - wie ja auch unsere
Politiker nicht müde werden zu betonen.
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SPIEGEL ONLINE
Kabel/Server: Wer liest
mit? |
Doch auch auf dem eigenen
Rechner bleiben oft zahlreiche Surfspuren im weltweiten Web: temporäre
Internetdateien, die History, Favoriten und unbemerkt angelegte Cookies.
Theoretisch lassen sich alle diese Spuren nach jedem Besuch des Internet
von Hand löschen. Leichter geht es mit Überwachungshilfen der meisten Personal
Firewalls oder mit speziellen Säuberungstools wie etwa dem Washer (für Windows
oder Mac). Cookies können inzwischen in allen Browsern der neueren Generation
recht gut kontrolliert werden.
Auch E-Mails lassen sich anonym
versenden
Ähnliche Anonymität lässt sich auch beim Versenden von
E-Mails erreichen. Im Internet bietet diese Möglichkeit zum Beispiel die Seite
Allgemeiner Datenschutz (www.allgemeiner-datenschutz.de). Für den Dauergebrauch
wesentlich bequemer sind allerdings Tools wie Ghost Mail
oder Potato. Auch hier bleibt die eigentlich Mailadresse sicher
verborgen. Allerdings kann dabei jede beliebige Absenderadresse gewählt werden,
ohne dass der Empfänger es merken kann. Insofern besteht hier natürlich auch die
Gefahr eines Missbrauchs - und entsprechend ist der Ruf solcher Dienste. In
bester Gesellschaft befindet man sich dort nicht unbedingt.
Wer mit
Spuren im Netz leben kann, sollte zumindest eigene E-Mails
verschlüsseln
Wem zwar die Spuren beim Versenden von E-Mails egal
sind, nicht aber die Gefahr, dass Fremde den Inhalt der Nachricht mitlesen,
sollte seine E-Mails unbedingt verschlüsseln. Online geht das beim
Web-Mailprovider web.de, allerdings mit einer nur recht schwachen
Verschlüsselung und der unverschlüsselten Übertragung zwischen dem eigenen
Rechner und web.de. Als sehr sicheres Angebot gilt PrivacyX, wenngleich E-Mails
manchmal etwas länger für den Weg zum Empfänger benötigen.
Wer einen
E-Mail-Client auf seinem Rechner nutzt, kann zur Verschlüsselung das sehr
beliebte PGP - Pretty Good
Privacy integrieren. Plug-ins sind für die meisten E-Mail-Clients verfügbar,
die maximale Verschlüsselungsstärke ist extrem hoch. Sie liegt bei 2048 Bit. Für
Privatanwender ist der Einsatz kostenlos möglich. Ebenfalls kostenlos, aber
(noch) nicht ganz so verbreitet ist der GNU Privacy Guard.
In den USA hat längst die Debatte
darüber begonnen, ob Privatpersonen eine Verschlüsselung von E-Mails verboten
werden sollte. Sollten sich die USA für ein Verbot entscheiden, besteht die
Gefahr, dass dies Beispielcharakter haben könnte. Weltweit ist der Trend
festzustellen, E-Mail-Kommunikation analog zur Telefon-Kommunikation zu
betrachten. Die vor kurzem vom Kabinett abgenickte
Telekommunikations-Überwachungs-Verordnung TKÜV zeigt, wohin die Reise geht:
Richtung Überwachungs-Freibrief für Behörden und eingeschränkte Schutzrechte für
Verbraucher.
Weitere Informationen rund um den Datenschutz und das
anonyme Surfen bietet das "Virtuelle Datenschutzbüro".
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